
Heute möchte ich einmal anders beginnen. Bisher habe ich nur darüber gesprochen, wie der Weg aussieht, wie sich der Weg zieht oder die Landschaft sich zeigt. Ich habe bis dato noch nichts über meine eigenen Eindrücke oder das Gefühl, dass ich habe, geschrieben.
Den Weg zu gehen, bedeutet, sich auf mentale und auch wirklich körperliche Strapazen einzulassen. Das war mir vor dem Weg bereits klar. Ich sehe aber, dass ich dieses Mal eine andere Herausforderung bekommen habe. Dieses Jahr ist der Weg außerordentlich voll und es ist schwierig, sich Ruhezonen zu schaffen oder einfach mal in Ruhe fortzubewegen. Ständig ist man umgeben mit lauten und lachenden Gruppen, die diesen Weg hier mehr als rein sportliche Wanderung betrachten. Eine innere Einkehr ist somit kaum möglich. Dabei täte es doch vielen dieser Menschen sehr gut.
Warum geht man auf den Jakobsweg? Jeder Pilger wird zu Beginn gefragt, ob es einen bestimmten Grund dafür gibt, dass man den Weg geht. Zum Beispiel aus spirituellen oder aus sportlichen Gesichtspunkten oder ob es eine andere Motivation gibt. Dieser Weg bietet sowohl die Anforderung der Sportlichkeit und der Spiritualität. Man muss nur beides annehmen wollen. Viele Menschen die ich kenne, und auch die, die man hier so trifft, sprechen vom Stress im Alltag, sorgen und Problemen, die sie hier gern hinter sich lassen möchten. Zumindest für eine Weile.
Jetzt, wo sie hier sind, tauschen sie den Stress ihres Alltags einfach gegen eine Illusion von innerer Einkehr aus und hoffen, dass der Weg es schon richten wird. Eben wie zu Hause, wenn man die Hoffnung hat, dass der Arzt mit seiner Medizin die Heilung einfach auf Knopfdruck bringt. So läuft es aber weder zu Hause noch hier. Und es ärgert mich, dass immer weniger Menschen bereit sind, etwas zu geben um dafür etwas grossartiges zu erhalten: Die Zufriedenheit, etwas geschafft zu haben.
Ich wünsche mir sehr, dass es wieder einen Wandel mit Blick auf die einfachen Dinge gibt und die Menschen wieder häufiger nach iInnen schauen, anstatt nur ihr Heil im Außen zu suchen. Und wo wäre da nicht eine bessere Gelegenheit, als auf einer Pilgerreise?
Dennoch war unser Tag geprägt von Ruhe und Langsamkeit und dem Blick auf die schöne Landschaft. Heute haben wir auch die ersten 109 km hinter uns gebracht. So schnell geht’s auch, wenn man langsam geht.
Den Rest von Herberge und Abendessen schenke ich mir heute mal. 😊
Fazit: Wer nur auf das Umfeld achtet, findet keinen Weg zu sich selbst.
Buen Camino ✨
Sehr schön geschrieben. 😊